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VORWORT
 
 
Im Laufe des Jahres 2003 wurde eine Gesamtausgabe der Texte des Herausgebers auf der Seite »www.literatur-live.de« abgeschlossen und diese 'neue' Seite eröffnet. Die DarstellungsFORM hatte sich geändert.
 
Zu einer Erklärung dieser Seite fiel mir nichts ein ... jedenfalls nichts, was ich unterschreiben konnte, bis mir am 1. September 2003 ein Aufsatz von Thomas Kling in der 'FAZ' in die Hände fiel. Viele seiner Gedanken gefielen mir; ich schrieb sie ab und fügte eigene Sätze hinzu ... nicht als Kommentar ... als Ergänzung vielleicht ... Die nun folgende TextMontage tritt so (auch und gerade an ihren BruchStellen) an die Stelle des geplanten Vorworts ...
 
Was ist das, ein Gemäldegedicht? Die kürzeste und einfachste Antwort lautet natürlich: Ein Gemäldegedicht ist dichterische Schrift parallel zu Erzeugnissen und mit - mit Hilfe - der bildenden Kunst.
 
Und in den Erzeugnissen der bildenden Kunst : mit Worten hineinmalen in die Bilder - nicht im Sinne einer Ergänzung (die hat das Kunstwerk nicht nötig) - eher im Sinne einer Kommentierung, einer Fortschreibung.
Auf dieser Seite wird der Begriff der "Bildenden Kunst" sehr weit gefaßt werden: alle visuellen Erscheinungen können ihren Ort finden : So wie im Gedicht alles "Platz" hat, so hat im Bild alles  Platz" (vgl. Walter Höllerer in den 60er Jahren). Auch der schwarze Hintergrund ist ein Bild.
Ich sehe, höre, rieche, schmecke ... aus den Wahrnehmungen entstehen Bilder; da ich nicht malen kann, greife ich zu Wörtern. Alle Texte sind "BildTexte". Keine Parallelerscheinungen, sondern Schnittpunkte und Schnittflächen.
 
Emblemdichtung, die im deutschsprachigen Raum das griechisch-lateinische emblema mit Sinnbild verdeutschend ersetzt und als Sinnbildkunst bekannt wird, definiert der Dichter und Polyhistor Georg Philipp Harsdörffer (der das Wort "Sinnbild" zum Ende des Dreißigjährigen Krieges durchsetzt) in seinen "Frauenzimmer-Gesprächsspielen", auf diese Weise: »Es werden aber solche Gemähl und Schriften Sinnbilder genant / weil selbe von Bildern und wenig Worten / darinn der Sinn / Meinung und Verstand deß Erfinders begriffen / zusammengesetzet: welcher dann mehr weisen / als gemahlet oder geschrieben ist / in demselbe zu fernerem Nachdencken fügliche Anlaß geben.«
     Ich verstehe Harsdörffers Wort als frühen Aufruf zu intermedialer Zusammenarbeit. Interessant ist überdies die Forderung nach dem sparsam komprimierten Text.

 
Sparsam ja - nicht mehr und nicht weniger. Und was heißt intermediale Zusammenarbeit? Muß man hier nicht das Lied erwähnen? Ist dann ein Godard-Film (Bild - Ton - Text) nicht das endlich erreichte Gesamtkunstwerk? Gibt es (in einem solchen Film) Grenzen zwischen den Gattungen? Brüche?
Emblemdichtung dann weder Bild noch Text? Und - wenn ich weiterdenke - alle KunstWerke dann nur Schritte auf dem Weg zu dem EINEN Kunstwerk?
Eine Antwort auf diese Fragen habe ich (natürlich?) nicht.
 
Es geht also darum, das Bildkunstwerk ("Gemähld") zum Sprechen zu bringen, besser gesagt, ihm eine zweite - eine dichterische - Sprache zur Seite zu stellen. Eine zweite Sprache: Das Bild spricht ja bereits seine schrift- und tonlose Sprache und wird gewissermaßen vom Dichter noch mit Untertiteln versehen; man denke an das bewegte Bild des Stummfilms, das eine frühe "Synchronisation", freilich eine tonlose, durch zwischengeschnittene Schrifttafeln erfährt.
 
Etwas verwirrende - vielleicht. Vielleicht sind dem Autor die Begriffe durchgegangen und er hat den Ort aus den Augen verloren, den Ort, den die SCHRIFT eingenommen hat. Vielleicht sollten wir alle festlegende, festschreibende Begriff einfach vergessen. Die Schubladen bleiben geschlossen; die Ordnungswut derr (sog.) Wissenschaften bleibt eine Wut ohne Ziel, kann also keinen Schaden mehr anrichten ...
Untertitelte Filme sind ein Notbehelf, aus einer Not entstanden; Untertitelte Bilder (Übersetzungen?) können wir uns schenken. Öffnen wir die Arbeit und gewähren der (ganzen!) Welt Eintritt!
 
Der Text kann und soll sogar eine völlig andere Richtung einschlagen, eine zweite Ebene einziehen, die das Ganze zu einem Dritten, Eigenen macht.
 
Schafft zwei, drei, viele Ebenen ... viele Hall- & Schallräume ... laßt die Klänge klingen und die Schrift voranschreiten in das unbekannte Ziel ... wenn es denn ein Ziel gibt.
 
... ich schreibe nur auf, an was ich mich eben erinnere ...
 
... ich mache weiter in der mir eigenen ART ...
 
Augsburg im Herbst 2003
 
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